Wenn man seinen Schlafplatz öfters wechselt und dann nachts „mal raus muss“, kann das schon mal zu einer echten Labyrinth-Tour werden, mit ein paar blauen Flecken.
Immerhin wachte ich dann doch noch rechtzeitig auf, als ich gerade in meinen Koffer pinkeln wollte, weil ich den Koffer-Deckel dort anhob, wo ich ganz sicher bei mir zu Hause das Klo installiert hatte. Nur war ich ja nicht zu Hause und Lichtschalter waren auch nicht da, wo ich sie im Halbschlaf vermutete.
Wenn man so tief und fest schläft, wie ich, dann kann das schon ganz schön problematisch sein und es dauert lange, bis man checkt, wer und wo man ist und was man eigentlich so gerade vor hat.
Hier hilft nur eines: Aufwachen!
Aufwachen hieß es dann auch am anderen morgen, um meine Verabredungen pünktlich einzuhalten, die ich bereits am Vorabend getroffen hatte.
Ich vergaß wohl dabei zu erwähnen, daß mir frühes Aufstehen so gar nicht bekommt und so trottelte ich so gegen zwölfe erst einmal verschlafen zur Rezeption, um mir anzuhören, wer schon alles bei mir vorbeigeschaut hatte.
Wir einigten uns darauf, daß wohl mein Telefon kaputt war – ich hatte jedenfalls nix gehört.
Ich erinnerte mich so wage an ein paar Bekanntschaften der letzten Nacht, suchte in meinen Taschen nach Notizen und fand tatsächlich ein paar Telefonnummern. Ich probierte sie alle aus und konnte wenigstens bei einem Anruf was Englisches verstehen.
Um zwei Uhr stand dann meine persönliche Reisegruppe vor dem Eingang – ein Taxifahrer in Begleitung von etwas Englisch sprechenden – und los gings, durch die riesige Hauptstadt Yangon – die über 10 Mio Einwohner beherbergt.
Der Anblick, der sich mir bei strahlend blauen Himmel bot, war unerwartet positiv. Breite, gut ausgebaute Strassen – schöne Häuserfassaden altehrwürdiger Bauten aus der Kolonieenzeit, Kreisverkehrsinseln mit wunderschön angelegten Blumenbeeten, Baumchausseen, Parks, Seen mit Prachtbauten umzu und last not least eine Pagode schöner und größer als die andere!

Was allerdings hinter dieser Fassade zum Vorschein kam, war Armut, Dreck und Krankheit in höchster Potenz. Mein Team fuhr mich überall hin, auch dort, wo Autos nicht mehr weiterkommen. Wir nahmen uns dann eine Fahrradrikscha, das einzige Transportmittel, was noch geht und konnten nur damit das Heim meiner neu gewonnenen Freunde besuchen.
Dort ging es hoch her. Ca 15 Myamarpeople zuviel für die eng gebaute Heimatvilla meines Fahrers. Aber irgendwie fanden wir doch alle Platz und sogar Essen erschien auf dem Fussboden. Ich hatte schon längst aufgegeben, auf den Rat meines Nahrungsberaters zu hören, nichts ungekochtes, ungeschältes oder rohes in den Mund zu stecken und auch nur abgekochtes Wasser und Mineralwasser zu trinken.
So betete ich zum Himmel, dass ich dieses Mahl hier überlebe und mampfte, wie alle anderen auch, ordentlich mit. Geschmeckt hab ich überhaupt nichts – es war alles nur unglaublich scharf. Selbst eine Tonne Tee konnte meinen Brand nicht löschen – ein Königreich für eine Flasche kaltes Mineralwasser – aber das gabs da nicht. Nur piewarmes Brunnenwasser – auweia. Überhaupt bemerkte ich nicht die Existenz eines Kühlschrankes, geschweige denn Airkondition – ich sah auch gar keine Steckdose......ich stellte mal besser keine Frage nach der Frischfleischaufbewahrung – ich konnte die Antwort darauf auch in etwa erriechen.
Nach einer Stunde war ich fertig, fix und fertig, nicht nur mit dem Essen – ich war klatschnassgeschwitzt. Keine Ahnung, ob von den 38 Grad in der Bude, von der Schärfe des Essens oder der Aufmerkamkeit des Gastgebers. Über die Hälfte der Familie hatte noch nie einen Ausländer persönlich zu Gesicht bekommen – 3 Kameraden blieben dem Essen auch fern, weil sie Angst vor mir hatten! Fast die gesamte Familie ist so gut wie nie aus ihrem Viertel herausgekommen – wozu auch. Zum Leben gabs dort alles und mehr war sowieso nicht drinn.
Nie im Leben habe ich bei Menschen so viel Ehrfurcht und Respekt gefühlt – diejenigen, die nicht da waren, haben darüberhinaus Angst.
Kein Wunder, bei einer despotischen Militärregierung – hier wird es auch nie Auflehnung geben, obwohl so viel Armut herrscht. Den Myamarpeople macht das nichts – sie sind wirklich mit gar nichts schon zufrieden.
Mir als Deutscher fällt sowas natürlich auf – ein bis zwei Unzufriedene kenne ich nämlich in meiner Heimat...
Das nächste signifikante ist der unglaubliche Drang nach Bewunderung, Anhimmelung und Verehrung. Die Regierung kann man nicht bewundern, also steckt man die gesamte Energie und alles was man besitzt in den Glauben und in die Pagoden.
Soviel Armut auch herrschen mag, die 9 riesigen Pagoden allein in Yangon strotzen vor Gold und Juwelen, vor Sauberkeit und Schönheit – allen voran die Shwedagon Pagoda, die mit ihren über 50 Meter goldenen Turm kilometerweit zu sehen ist.
Alle sind nicht nur stolz darauf – sie geben auch ihr letztes Hemd dafür, dass das immer so bleibt.

Ich finde das verrückt – aber so haben die Menschen etwas, an dem sie festhalten.
Sogar die Regierung unterstützt dieses Verhalten. Bei der letzten Buddaversammlung von allen buddistischen Glaubensrichtungen und mit allen Mönchen dieser Region stellte man fest, das es zwar 9 Glaubensrichtungen gibt, aber nur 8 Pagodentempel.
Skandal – was nun? Fluggs baute man für Millionen eine neunte, goldene Pagode. 2002 war sie schon fertig und konnte sich absolut sehen lassen – nietnagelneu leuchtet auch sie kilometerweit über der Stadt. Alle waren glücklich und zufrieden – Schulen, Krankenhäuser, Polizeidienststellen oder Feuerwehr – drauf geschissen – erst mal ne neunte vernünftige Pagode!!!
Das funktioniert hier – alles andere nicht so. Aber die Einwohner sind soweit zufriedengestellt – und was will man mehr – die Regierenden besitzen alle Reichtümer, die Einwohner haben ihre tollen Pagoden.....sonst aber auch überhaupt gar nischt.
Eine weitere Volks-Verehrung gibt es noch: Ihr Freiheitsführer Aung Sun, der die Unabhängigkeit als damaliger König initieren konnte, gegen das englische Königsreich.
Sein Haus und sein Leben kann man besichtigen. Ehrfurchtsvoll kommen jeden Tag Besucher und schreiten Barfuß leise durch seine Gemächer – an vielen Bildern vorbei – durch den Garten, wo sein drittes Kind verstarb. Er letzendlich auch – mit nur 32 Jahren.
Wie jeder guter Mensch auf dieser Welt wurde auch er abgemurkst – keiner weiss was Genaues. Nur danach gabs keinen König mehr – Frau und 2 Kinder mussten ins Exil – und Ei der Daus, das Militär übernahm die Regentschaft.
Eigentlich ist das ja nichts ungewöhnliches – auch hier funktioniert das Leben. Die Myamarpeople freuen sich über jede Kleinigkeit, führen gerne Ausländer spazieren, sind freundlich, absolut ehrlich, bescheiden und ausgesprochen nett und dankbar.
Das Land und die Menschen haben mich sehr ergriffen – mit Tränen in den Augen musste ich viel zu früh wieder weiterreisen.
Keine Ahnung, warum ich so traurig war – vielleicht weil man daran nichts und nie ändern kann. Hier zeigt sich, wie gut es ist, wenn man nicht so viel weiss und auch gar nicht wissen will.
Kommentare
Mo, 26.03.2007 10:59
Bin dabei! Gebongt, Hamdi! Hubschrauberlandeplatz nicht nötig. Komme zu Fuß - mit meinen Gummilatschen. Bringe viel [...]
Mo, 26.03.2007 08:45
hi joergi, wie geht es dir?? wo treibste dich rum?? noch immer in neuseeland? uns geht es richtig gut. wir sind nun [...]
Sa, 24.03.2007 10:06
Hi, es scheint als ob Neuseeland dich ziemlich nachdenklich stimmt! das ganze Gefasel über die Moderne und tori tori [...]
So, 25.02.2007 15:46
schoen, sehr schoen zu lesen und die art und weise wie du schreibst, ganz joerg halt. mach weiter so, ist echt ne freude [...]
Do, 22.02.2007 13:04
hey JÖRGI, was wohl dein pech ist, scheint unser glück zu sein!! ...denn umso langweiliger deine erlebnisse sind [...]
Di, 20.02.2007 14:56
lieber jörg, versuche nun hier was rein zu haken...(p.s. habe 20 Jahre keine Schreibmaschine bedient) Au weia...jetzt [...]
Sa, 17.02.2007 14:42
Na da geht einem ja das Herzel auf..... ist das schööööön, kann man sich gut vorstellen diese heimelige [...]
Di, 13.02.2007 22:20
Aber ganz genau, Peter: Alles für alle, und alles UMSONST! Auch totlach
Di, 13.02.2007 14:50
Na super Jörgi, Du redest vom Steifen....und nu....kann ich meinen Kopf kaum noch bewegen!!
Di, 13.02.2007 13:53
Halloa Schnuffel, also die dubiosen Gestalten laufen hier in Bremen (in Felde noch nicht gesichtet)auch herum. Diese [...]
Di, 13.02.2007 08:01
Hey du "langweiliger Hetero", wenn du noch länger Single bleibst, dann überlegst du es dir vielleicht noch einmal [...]
Mo, 12.02.2007 09:51
Mensch Jörgi, Deine Berichte sind wirklich lehrreich! Wollte eigentlich auch eine Weltreise planen, aber lass das jetzt [...]
Fr, 09.02.2007 12:21
Ich schmeiss mich wech, mein Bauch tut mir weh vom lachen...sehr bildhafter + brilliant urkomischer Bericht!! Konnte [...]
Do, 08.02.2007 12:34
LOL
Do, 08.02.2007 11:46
Na da ist ja das Lebenszeichen